Therapie

Betroffener (19) – April 2014

Seit Kindesalter bis zu den Teenagerjahren war sprechen für mich eine Qual. Ich war froh, wenn ich im Hintergrund bleiben durfte und nur das Nötigste von mir geben musste. Wie die meisten meiner Leidensgenossen wurde ich von einer Therapie zur nächsten geschickt. Alle diese Therapien haben jedoch den falschen Therapieansatz. Sie sind nämlich alle zu stark auf die Atmung fokussiert. 

Als ich dann zehn Jahre alt wurde, haben meine Eltern zum Glück die Sprachtherapie nach Alfred Beyeler gefunden. Meine Sprechkünste haben sich von da an rasant verbessert und ich habe eine neue Lebensfreude erhalten. So beendete ich die Therapie bei Alfred kurz vor der Oberstufe.


Während der gesamten Oberstufenzeit habe ich die Sprachregeln unbewusst angewandt. In der Schule wie auch privat hatte ich keinerlei Einschränkungen, was das Sprechen anbelangte. Alle schlechten Erinnerungen waren wie gelöscht. Kurz und bündig gesagt: Ich hatte vergessen, dass ich ein Stotterer war! 
Leider, als es dann auf die Berufslehre zuging, fiel es mir schwerer, in diversen Situationen ruhig zu bleiben und normal zu sprechen. So fing ich an, Konfrontationen zu meiden, immer mehr und mehr. Und genau das war der Fehler! So kamen jeden Monat neue Situationen dazu, denen ich aus dem Weg ging. Anfangs konnte ich sogar gut damit leben - bis zu meinem 19. Geburtstag.

 

Es ist besonders als Stotterer extrem wichtig, sich seinen Ängsten zu stellen, auch wenn es mal nicht so klappt wie man will, sondern es wieder und wieder zu versuchen. Zu dieser Einsicht gelangte ich leider erst, nachdem ziemlich viel Zeit vergangen war: nach fast vier Jahren Berufslehre. Endlich erkannte ich, dass es so nicht weiter gehen darf.
Mit einem kleinem Umweg über Hypnose und Stottertherapie in Deutschland habe ich nun wieder zu Alfred Beyeler zurückgefunden. Und das nach 7 Jahren! Anfang 2014 besuchte ich die erste Sitzung und fühlte mich, als wären meine Sprechbatterien wieder aufgeladen worden. Wir fingen sofort an, an meiner Sprechtechnik zu arbeiten. Wie muss ich meinen Mund bewegen, Mimik und Gestik anwenden, die Lautstärke, Emotionen miteinbeziehen und, und, und. Oft trainieren wir dies anhand von verschiedenen Gedichten, Vorträgen oder normalen Gesprächen. 

Ich finde, ich habe mich vor allem im letzten Monat beim Sprechen enorm gesteigert. Dies ist mir aufgefallen, als ich mit Alfred Beyeler fast schon schreiend Gedichte geübt habe. Er hat mich gebeten, das Gedicht einmal so belanglos wie möglich vorzulesen. Nach den ersten zwei Sätzen musste Alfred Beyeler lachen. Ich schaute ihn fragend an, und sofort fiel es mir ebenfalls auf:  Unbewusst hatte ich beim Lesen des Textes alle Sprachregeln beachtet und somit die Geschichte voller Emotionen, deutlich und spannend erzählt. Dies war ein riesiger Erfolgsmoment für mich!


Nun bin ich seit knapp 5 Monaten wieder intensiv im Sprachtraining, und ich fange langsam an, das Gelernte auch ausserhalb der Therapie automatisch anzuwenden. Vor kurzem konnte ich mich sogar meiner grössten Blockade stellen - und es hat geklappt! Zwar nicht hundertprozentig so, wie ich wollte, aber dass ich es versucht habe, gibt mir noch mehr Mut, mein Sprachproblem ganz zu besiegen.