Therapie

Betroffener (40) – Juni 2013

Meine Sprachstörung begann in meiner Kindheit und es war für mich sehr schwer, mich  damit abzufinden. Das Stottern trat etwa im Schulalter auf und ich wollte damals nicht zur Schule gehen, weil ich erstens eifersüchtig auf die anderen Kinder wurde, die normal sprechen konnten und zweitens, weil sie mich auslachten. Es war mir quasi unmöglich, vor andern Mitschülern zu lesen oder Vorträge zu halten. Auch wollte ich nicht telefonieren und nahm so also auch nie den Hörer ab, wenn es klingelte. Während dieser Zeit wechselte ich jeweils die Schule, wenn ich nicht mehr weiter wusste und wuchs so zum Teenager heran. Meine Eltern sagten immer, es müsse was vorgefallen sein in meiner Kindheit; doch ich konnte mich an nichts dergleichen erinnern, sosehr ich auch darüber nachgrübelte.


Dennoch schaffte ich es, die Sekundarschule, eine Berufswahlschule und die Handelsschule abzuschliessen. Ich übte einfach, so viel ich nur konnte und musste vor allem in den schriftlichen Fächern beweisen was ich «drauf» hatte – was mir auch gelang. Als es jedoch zur Praxis überging und ich in einem Schreibbüro einen Job fand, war dieser, obwohl es ein geschützter Arbeitsplatz war, jenseits meiner Vorstellungen. Vielleicht lag es auch an mir, aber ich wollte immer noch keine Telefonanrufe beantworten; anfänglich machte ich meine Sache im Büro aber sicher gut.


Da es sich um ein geschütztes Arbeitsverhältnis in einer Stiftung für gehbehinderte Menschen handelte, wollte mich mein damaliger Arbeitgeber in denselben Rahmen drängen wie diese Menschen, die nichts selbstständig machen konnten. Er sagte mir auch, dass mein Arbeitsverhältnis das gleiche sei wie das jener Rollstuhlfahrer. Das liess ich mir jedoch nicht bieten und kündigte.
Am nächsten Tag ging ich in die Stadt ein wenig «shoppen». Ich guckte mir im ShopVille in Zürich die Schaufenster an und wirkte womöglich noch ein wenig bekümmert, als ich von vier Polizisten angesprochen wurde, was ich hier mache und ob ich keinen Job hätte, dem ich nachgehen würde? Ich sagte ihnen, dass ich am Vortag gekündigt hätte und momentan arbeitslos sei. Sie forderten mich auf, sie zu begleiten und unterstellten mir, mich auffällig benommen zu haben. 

Ich konnte mich in dieser Situation sprachlich nicht wehren und stotterte so extrem, dass ich keinen richtigen Satz herausbrachte. Da ich so völlig aus der Fassung gebracht worden war, kam meine Sprachstörung in diesem Moment stärker als sonst zum Vorschein. Die Folge war, dass ich von der Polizei in eine Klinik eingewiesen wurde. Ich fühlte mich total allein gelassen und weggesperrt.


Als ich wieder aus der Klinik entlassen wurde, war mein Stottern nicht besser geworden. Die Klinikärzte verpflichteten die Spitex, alle zwei Tage nach mir zu schauen und mich zu kontrollieren.Meine Mutter fand zu dieser Zeit die Alfred Beyeler Sprachtherapie, da ich wegen meiner Sprechunflüssigkeit dringend Hilfe brauchte. Die Sprachtherapie hat mir viel geholfen, sodass mir das Sprechen viel leichter fällt als noch vor einem Jahr und ich stehe am Morgen auch vergnügt auf und gehe mit Elan meiner gestalterischen Arbeit nach. 


Ich bin zwar nicht mehr in einem Büro tätig, doch die Tagesstruktur entspricht voll und ganz meinen Wünschen. Nun bewege ich mich im künstlerischen Bereich, kann Aquarelle malen, mich mit der Bearbeitung von Holz beschäftigen, töpfern oder auch im Internet zappen.
Im Grossen und Ganzen geht es mir heute wieder gut.