Therapie

Betroffener (33) – Januar 2014

Ich stottere seit Beginn meiner Sprachentwicklung und war dementsprechend seit dem Vorschulalter in logopädischer Behandlung. Im Laufe der Jahre wurde ich von einem Logopäden zum nächsten geschickt, bis ich dann mit 18 Jahren bei einer Psychologin auf der Couch landete – dann war ich der Ansicht, dass mir das nichts bringt. Ich dachte in der Folgezeit, ich hätte mich mit meinem Sprachproblem abgefunden; aber je älter ich wurde, umso mehr störte es mich. Mir wurde auch immer mehr bewusst, dass das Stottern mir auch beruflich im Weg stehen würde. Ich wusste: Ich kann so gut sein, wie ich will, aber man wird mir nie mehr Verantwortung übertragen, da meine kommunikativen Fähigkeiten stark eingeschränkt sind. Vor ca. 3 Jahren unternahm ich dann noch einen Versuch bei einer Methode, für die viel Werbung betrieben wird, was aber in einer grossen Enttäuschung endete.

Ende 2012 stiess ich dann im Internet auf die Stiftung Vocis und Alfred Beyeler. Ich lernte eine völlig andere Art einer Stottertherapie kennen. Während sich alle Logopäden und Therapeuten, die ich vorher kennengelernt hatte, ausschliesslich auf die Atmung konzentrierten und die als Problem des Übels auserkoren hatten, lernte ich bei Alfred, dass das Problem wesentlich vielfältiger ist. Und was für mich auch neu war ist die Nähe und Leidenschaft, mit der die Trainer arbeiten. Sie geben einem das Gefühl, mit dir auf Augenhöhe zu sein.


Alle anderen wollten mir immer etwas abtrainieren - hier kann ich etwas Neues lernen. Bei allen Therapien vorher durfte ich keine Fehler machen, was ich immer als negativen Druck empfunden habe. Hier darf ich Fehler machen und mich an dem erfreuen, was ich richtig machen kann, was ich als positiven Druck empfinde. Ich weiss jetzt, welch komplexer Vorgang das Sprechen ist.

Seit Anfang 2013 gehe ich regelmässig zu Barbara in die Therapie. Sie ist eine tolle Trainerin, die mit viel Geduld, Herz und Humor die Stunden gestaltet. Das Rezitieren von Gedichten und das Vorlesen klappen mittlerweile sehr gut - darum konzentrieren wir uns jetzt vor allem auf die freie Rede, was das Schwierigste ist. 

Das ist auch etwas, das sich von allen bisherigen Erfahrungen unterscheidet: Die Therapie wird für jeden einzelnen Schüler angepasst und man trainiert nur das, was man auch braucht. Ich besuche auch immer die Wochenendseminare, die Alfred und Barbara sehr gut organisieren. Es ist immer wieder schön, die anderen Schüler zu treffen und ihre Fortschritte mitzuverfolgen. Natürlich ist das stets eine ziemliche Herausforderung, vor einer Gruppe zu sprechen. Was mir sehr gefällt, ist, dass man von den Trainern und den Schülern sofort ein Feedback bekommt, wo noch Verbesserungspotenzial ist. 

Ich habe seit Anfang der Therapie schon grosse Fortschritte gemacht, muss aber noch lernen, diese auch zu sehen. Ich bin sehr ungeduldig mit mir selbst und konzentriere mich zu oft nur auf die Dinge, die noch nicht perfekt sind, anstatt mich darüber zu freuen, was ich gut gemacht habe. Wenn ich einen Text mit 100 Wörtern vorlese und bei 5 Wörtern noch etwas stottere,ärgere ich mich über die nicht gelungenen 5%, anstatt mich an den 95% zu erfreuen, die ich gut gemacht habe. Dabei vergesse ich, dass vor einem Jahr das Verhältnis genau anders herum war. Aber ich bin auf einem guten Weg und weiss, dass ich das Stottern ganz besiegen werde. Ich erwische mich immer öfter dabei, dass ich alles, was ich in der Therapie gelernt habe automatisch anwende, ohne mich darauf konzentrieren zu müssen. Diese Momente geniesse ich und freue mich darauf, dass sie zur Normalität werden.